Wallah?#01: Sind Flüchtlinge wirklich krimineller als Deutsche?

Vom ansteigenden Drogenhandel bis zur Massenschlägereien in Flüchtlingsunterkünften, von Bautzen bis zum Münchner Oktoberfest: Das Klischee, dass Flüchtlinge stärker zur Kriminalität neigen hält sich hartnäckig und das nicht nur am rechten Rand: Eine repräsentative Allensbach-Umfrage ergab anfang dieses Jahres, dass 79 Prozent der Deutschen annehmen, dass durch den Zuzug von Flüchtlingen die Kriminalität in Deutschland zunehmen werde.

Bleibt die Frage: Wallah? Stimmts? Neigen Flüchtlinge wirklich signifikant häufiger zur Kriminalität als Deutsche?

Beim Blick auf die Kriminalitätsstatistik des vergangenen Jahres fällt zunächst auf, dass nichts auffällt: Mit sechs Millionen Straftaten bewegt sich die Kriminalität in etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Auch die Zahl der Tatverdächtigen hat sich mit rund zwei Millionen nicht merklich verändert. Dass Flüchtlinge nicht zumindest in bestimmten Bereichen öfter straffällig werden, bedeutet das allerdings nicht. Und vielleicht ist der Grund, warum sich Straftaten von Flüchtlingen in der Gesamtstatistik nicht bemerkbar machen, einfach nur der, dass ihre Zahl zur Gesamtbevölkerung immer noch relativ gering ist.

Die Zahl von Flüchtlingen begangener Straftaten ist im ersten Halbjahr 2016 gesunken

Für die ersten sechs Monate dieses Jahres hat das BKA im Juli dieses Jahres eine Sonderauswertung mit Fokus auf Straftaten durch Zuwanderer herausgegeben. Mit einem überraschenden Ergebnis: Die Zahl der von Flüchtlingen begangenen Straftaten ist im ersten Halbjahr 2016 um 18 Prozent gesunken. Eine Sprecherin des BKA stellte anlässlich der Veröffentlichung des Berichts fest: “Zuwanderer sind nicht krimineller als Deutsche.” 

Medien kritisierten allerdings im Anschluss zu Recht, dass die Statistik einen solchen Vergleich nicht zulasse, da die Kriminalität von Deutschen in dem Bericht gar nicht untersucht wurde. Dies hat stattdessen der Kriminologe Christian Walburg versucht. Der Wissenschaftler von der Universität Münster hat 2014 Dutzende Polizeistatistiken, Studien und Umfragen ausgewertet, um dem Klischee der Ausländerkriminalität auf den Grund zu gehen. Sein Ergebnis: Weder die ethnische Zugehörigkeit noch die Religion hat etwas mit der persönlichen Neigung zu Kriminalität zu tun. Allerdings würden Jugendliche mit Migrationshintergrund tatsächlich öfter angezeigt, verhaftet und verurteilt – jedoch nicht, weil sie häufiger kriminell, sondern weil sie als Ausländer wahrgenommen werden. Wovon die eigene Neigung zur Kriminalität tatsächlich abhänge: Bildung und soziale Herkunft.

Ob Flüchtlinge öfter oder seltener kriminell werden, hängt unter anderem von ihrer Bleibeperspektive ab

Im Auftrag des Mediendienstes Integration hat Walburg dieses Jahr speziell Straftaten von Flüchtlingen untersucht. Sein Ergebnis diesmal: Flüchtlinge begehen dann mehr Straftaten, wenn sie nur über eine „geringe Bleibeperspektive“ verfügen. Jene mit „günstiger Bleibeperspektive, Zugang zu Integrationskursen, zu Bildungsangeboten und Aussicht auf Zugang zum Arbeitsmarkt“ begingen hingen weniger Straftaten als der deutsche Durchschnitt.

Oder anders: Ob ein Mensch stärker zur Kriminalität neigt, entscheidet sich nicht daran, ob er aus seiner alten Heimat flieht, sondern daran, wie er in seiner neuen Heimat aufgenommen wird. Wallah!

 

 

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