Muslime gedenken Marwa El-Sherbini · Erinnerung an Münchens verkannten Terroranschlag · Schura Hamburg startet Meldeportal · Hessen verliert in Prozess um Islamunterricht
Jedes Jahr am 1. Juli begehen muslimische Organisationen den Aktionstag gegen antimuslimischen Rassismus. Das ist einerseits gut und wichtig, zeigt andererseits aber auch, was das Problem ist: Denn außerhalb der muslimischen Community ist das Interesse auch zwölf Jahre nach der Ermordung Marwa El-Sherbinis ziemlich gering: sowohl für den Aktionstag als auch für das Problem des antimuslimischen Rasssismus.
Tag gegen antimuslimischen Rassismus
Nach Aktionen, Statements, Solidaritätsbekundungen, Hintergrundberichten… durch mehrheitsdeutsche Politiker, Behörden, Vereine und Medien suchte man auch am diesjährigen Aktionstag gegen antimuslimischen Rassismus weitgehend vergeblich.
Vor dem Dresden Landgericht versammelten sich einige hundert Menschen zu einer Gedenkfeier. Schön war auch die Netz- und Plakatkampagne, mit der das Aktionsbündnis „Allianz gegen Hass“ auf den offenkundigen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Thema antimuslimischer Rassismus aufmerksam machte.
Das vielleicht wichtigste und nachhaltigste Projekt des diesjährigen Aktionstages, das Meldeportal “i report”, hatten wir schon im letzten Wochenrückblick. Diese Woche haben auch Muslime in Hamburg eine ähnliche Meldestelle ins Leben gerufen.
Unter Marwa-Meldestelle.de können Opfer von Diskriminierung, Anfeindungen und Gewalt ihre Erlebnisse schildern und Hilfsangebote in Erfahrung bringen. Verantwortet wird das Projekt vom Schura Hamburg, einem Zusammenschluss von 39 Moscheegemeinden und anderen islamischen Vereinen der Hansestadt.
Der verkannte Terroranschlag
Der Mord an Marwa el Sherbini war nicht die einzige rassistisch motivierte Tat, die diese Woche zu wenig Aufmerksamkeit erregte. Oder woran denkt ihr, wenn ihr an rechtsextremen Terror in Deutschland denkt?
An die Mordserie des NSU? Das Attentat von Hanau? Manchen fällt vielleicht auch noch das Oktoberfest-Attentat von 1980 ein. Die Ermordung von neun Menschen am Münchner Olympiaeinkaufszentrum OEZ am 22. Juli 2016 wird in solchen Aufzählungen eher selten erwähnt. Das mag auch daran liegen, dass die zuständigen Politikerinnen und Behörden lange Zeit am Narrativ vom unpolitischen Amoklauf festhielten.
Zum fünften Jahrestag hat der Mediendienst Integration alles Wissenswerte zu Aufarbeitung und Konsequenzen des “verkannten Anschlags” zusammengefasst.
Mit den Hintergründen des rechtsextremen Terroranschlags und der Weigerung der Behörden, ihn als solchen zu benennen, beschäftigt sich auch ein neuer Podcast. Produziert wird “Terror am OEZ” von Spotify und der Süddeutschen, präsentiert wird er von der Journalistin Nabila Abdel Aziz.
Gericht erklärt Aussetzung von Islamunterricht für rechtswidrig
Eigentlich könnte es ganz einfach sein und für die meisten Gläubigen in Deutschland ist es das auch: Laut Grundgesetz dürfen Religionsgemeinschaften eigenverantwortlich Religionsunterricht anbieten.
Was nicht nur bei den großen christlichen Kirchen, sondern auch bei Freikirchlern, Jüdinnen oder Buddhisten problemlos funktioniert, scheitert in Deutschland verlässlich, wenn es um den Religionsunterricht für muslimische Schüler und Schülerinnen geht. Da weigern sich die politisch Zuständigen seit Jahren konsequent, die Vorgaben des Grundgesetzes in die Praxis umzusetzen.
Als eine der wenigen Ausnahmen galt lange Zeit Hessen. Seit dem Schuljahr 2013/2014 verantworteten Ditib und die Ahmadiyya-Gemeinde dort jeweils ein Angebot für islamischen Religionsunterricht. Lange Zeit waren damit alle zufrieden: Lehrerinnen, Schüler, Bildungsexpertinnen. Bis sich die große Politik einmischte und den Ditib-Unterricht im April 2020 aussetzte.
Die Folge: Ditib klagte und bekam recht. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden urteilte diese Woche: Die Aussetzung des Islamunterrichts durch das Land Hessen war rechtswidrig. In der Frankfurter Rundschau gibt es die ganze Geschichte.
Die Gerichtsentscheidung, die die seit Jahrzehnten andauernde Verhinderung islamischen Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetz im Rest der Republik für rechtswidrig erklärt, fehlt leider noch.
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