Sebastian Kurz bedient in BILD so ziemlich alle Klischees · Flüchtlingsberichterstattung wird immer schlechter · Angriffe auf Hamburgs Blaue Moschee · Düsseldorfer Muslime wehren sich gegen Islamismus-Vorwürfe
Dass für BILD Menschen, die vor Krieg, Terror oder Armut fliehen, vor allem dann ein Thema sind, wenn man sie als Bedrohung darstellen kann, ist nichts Neues. Aber solch eine dichte Ansammlung an flüchtlingsfeindlichen Klischees wie im Interview mit Sebastian Kurz vom vergangenen Montag (26.7.) erlebt man selbst in der Springer-Illustrierten nur selten.
Von Islamisten reden, Flüchtlinge meinen
„Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz über eingewanderten Islamismus: ‚Ich will diese kranke Ideologie nicht in Europa“. Diese Schlagzeile prangte vergangene Woche von der Titelseite der BILD.
Wer nun erwartete, im dazugehörigen Interview auch etwas über Islamismus zu erfahren, wurde allerdings enttäuscht. Stattdessen bediente Österreichs Regierungschef im Gespräch mit BILD-Reporter Paul Ronzheimer so ziemlich jedes flüchtlingsfeindliche Klischee: illegale Schlepper, Massenmigration, Sexualverbrechen, Antisemitismus, Homophobie, Frauenfeinlichkeit…
Nur über die kranke Ideologie des Rassismus, die sich auch mit Hilfe von BILD und Sebastian Kurz in Europa breit macht, erfuhr man leider nichts.
Seltener, anonymer, negativer: Wie Medien über Flüchtlinge berichten
Dass solche Stigmatisierung von schutzsuchenden Menschen in der BILD nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind, bestätigt auch eine neue Studie.
Forscherinnen der Uni Mainz untersuchten knapp 6.000 Beiträge mit Flüchtlingsbezügen aus großen deutschen Medien. Am schlechtesten schnitt BILD ab. Flüchtlinge seien dort vor allem denn ein Thema, wenn man sie als kriminell oder Gefahr für die innere Sicherheit darstellen könne.
Aber auch an der Berichterstattung von FAZ, Süddeutsche, Tagesschau, ZDF heute und RTL Aktuell gibt es viel zu kritisieren: So würden Medien immer seltener und immer negativer über Flüchtlinge berichten. Gegenstand der Berichterstattung seien meist politische Institutionen und deren Entscheidungen. Flüchtlinge selbst kämen kaum zu Wort. Die ganze Studie gibt es hier, einen Beitrag der Süddeutschen dazu hier.
Angriffe auf Hamburgs Blaue Moschee
Wie real die Folgen solcher medialen Verzerrungen sein können, bekamen vergangenen Woche Muslime in Hamburg zu spüren. In der Nacht auf Samstag (24.07.) bewarfen Unbekannte die als „Blaue Moschee“ bekannte „Imam-Ali-Moschee“ mit Farbbeuteln und beschmierten die Fassade mit islamfeindlichen Slogans.
In den Tagen zuvor hatten zahlreiche Medien über Extremismus- und Islamismus-Vorwürfe des Hamburger Verfassungsschutzes gegenüber den Betreibern der Moschee, dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), berichtet.
Die Mühe, die Angaben des Verfassungsschutzes nicht nur wiederzugeben sondern auch kritisch einzuordnen und die möglichen Folgen der eigenen Berichterstattung zu reflektieren, machte sich allerdings – wie so oft in solchen Fällen – kein Medium. Das IZH hat nun vor dem Hamburger Verwaltungsgericht Klage gegen den Verfassungsschutz eingereicht.
Düsseldorfer Muslime wehren sich gegen rechten Blog
Dass es sich lohnen kann, gegen Islamismus-Vorwürfe gerichtlich zur Wehr zu setzen, haben vergangene Woche Muslime in Düsseldorf gezeigt. Wobei diese nicht den Verfassungsschutz, sondern „nur“ einen rechtspopulistischen Blog zum Gegner hatten.
Die Seite „Tichys Einblick“ hatte den Vorsitzenden des „Kreis der Düsseldorfer Muslime“ (KDDM) als „mutmaßlich islamistischen Akteur“ bezeichnet. Das Landgericht Frankfurt untersagte nun diese Darstellung. (Die Einzelheiten zum Fall gibt es hier.). Auch einen zweiten Prozess gegen die Islamismus-Bloggerin Sigrid Herrmann-Marschall gewannen die Düsseldorfer Muslime.
Götz Middeldorf von der Neuen Ruhr Zeitung kommentiert den Fall treffend:
… gegen Verwirrte, Verblendete, Politik-Spinner und andere Lügner im Internet darf man sich nicht wegducken und sich nicht alles bieten lassen. Klagen ist angesagt. Dass es geht, hat der KDDM eindrucksvoll bewiesen. Danke!
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