Nicht mehr und nicht weniger als »deutsche Muslime« hatte sich Wolfgang Schäuble (CDU) gewünscht, als er im Jahr 2006 15 islamische Interessenvertreter ins Berliner Schloss Charlottenburg lud. Diese und die Organisationen, die sie vertraten, waren zwar auch schon vorher allesamt deutsch, dennoch scheint sich der Wunsch des Bundesinnenministeriums auch zwölf Jahre später noch nicht ganz erfüllt zu haben. Denn das Ziel, welches Horst Seehofers (CSU) Heimatsministerium nun für die Neuauflage der Islamkonferenz ausgab, klingt ganz ähnlich: die Definition eines »deutschen Islams«.
Dass der Wunsch in Erfüllung gehen wird, ist auch diesmal ausgeschlossen. Weil der Gastgeber der Islamkonferenz Seehofer schon lange deutlich gemacht hat, was er vom Begriffspaar »deutsch« und »Islam« hält. Vor allem aber, weil es ihn schlicht nicht geben kann. Denn um auf ein einheitliches Attribut »deutsch« reduziert zu werden, gibt es von diesem Islam auch in Deutschland schlicht zu viele.
Das zeigt sich an den unzähligen islamischen Interessenvertretungen, die auch diesmal wieder miteinander und mit der Gunst des Staates um Teilnahme ringen. Das zeigt sich vor allem aber an den unendlichen Variationen, wie Muslime ihre Religion verstehen und ausleben. Man muss schon Dschihadist oder Integrationspolitiker sein, um anzunehmen, das Islamverständnis einer Instagram-Hijabista aus Berlin-Friedrichshain ließe sich mit dem eines Sufi-Mystikers aus der Eifel vereinheitlichen. Genauso gut könnte man von Mainzer Narren, Düsseldorfer Jecken und Berliner Karnevalsmuffeln verlangen, sich auf einen einheitlichen Faschingsumzug zu einigen oder Anhänger von Borussia Dortmund und Schalke 04 zum Tragen einheitlicher Ruhrpott-Fanschals auffordern.
Um die Unmöglichkeit islamischer Gleichmacherei weiß natürlich auch der Bundesinnenminister. Und vieles spricht dafür, dass gerade dies der Grund für die Forderung ist. Schließlich taugt nichts besser als Vorwand für fehlendes Entgegenkommen als der Verweis auf die Unfähigkeit der Gegenseite, sich zu einigen. Dabei gibt es beispielsweise mit dem Koordinationsrat der Muslime, der die vier größten islamischen Organisationen vertritt, seit über einem Jahrzehnt schon den Versuch, dem Staat seinen gewünschten Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen. Längst schon hätten die Länder einzelne islamische Organisationen als Religionsgemeinschaften anerkennen können, ohne dass die sich untereinander einig sein müssen. Stattdessen verspricht das Ministerium nun wechselnde Mitgliedschaften und dass auch kritische Stimmen zu Wort kommen sollen dürfen. Das klingt nach Vielfalt, heißt aber letztlich Bedeutungslosigkeit.
Daran haben auch die islamischen Interessenvertreter ihren Anteil. Nach zwölf Jahren Islamkonferenz beherrschen auch sie das Spiel »guter Moslem, böser Moslem« exzellent. Anstatt zum Wohle der vier bis fünf Millionen Muslime in Deutschland Gemeinsamkeiten auszuloten, mutiert der inhaltlich richtige Hinweis, dass niemand alle Muslime repräsentiere, zum Totschlagargument gegen jede Initiative, die man eigentlich mittragen könnte, stammte sie nicht vom Konkurrenzverband. Statt Dauergängelung und Verdächtigungen gemeinsam zurückzuweisen, wird jedes Stöckchen, das Innenminister werfen, aufgenommen, um den ungeliebten muslimischen Gegenspieler darüber stolpern zu lassen: Nein, bei uns gibt es so etwas nicht. Aber wie steht’s eigentlich um die Verfassungstreue von Verband soundso?
Letzteres ist schließlich auch die einzig konkrete Forderung, wenn Politiker zur Suche nach einem »deutschen Islam« aufrufen. Es ist zugleich auch die sinnloseste. Religionen stehen per Selbstdefinition nie auf dem Fundament staatlicher Gesetzestexte. Müssen sie auch nicht. Gerade weil die Bestimmungen des Grundgesetzes auch für jeden Gläubigen gelten, muss sich keine Religion zum deutschen Grundgesetz bekennen. Auch die Islamkonferenz wird erst dann Muslime dazu bringen, ihre Gebetsteppiche in Richtung Karlsruhe auszurollen, wenn Christen sich ans heimische Kreuz eine Holzfigur des Bundespräsidenten nageln: nämlich nie. Um dennoch ihre Gesetzestreue sicherzustellen, gibt es zum Glück schon wesentlich besser etablierte Foren als die Islamkonferenz: Sie heißen Gerichte und sind zuständig für deutsche Christen, deutsche Muslime und alle anderen auch.
Das Aufmacherbild zeigt Gesandte des Abbasidenkalifs Harun al Raschid zu Besuch bei Karl dem Großen Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts.
Diese erste kleine Islamkonferenz brachte Karl dem Großen immerhin einen weißen Elefanten namens Abul Abbas ein. Gezeichnet hat das Bild der österreichische Spätromantiker Moritz von Schwind im Jahr 1865.