Muslime und Musliminnen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, wird von Islamfeinden gern vorgeworfen, damit nur ihr wahres Vorhaben verschleiern zu wollen: die Zersetzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Genau diese Taktik hätte man diese Woche auch Unionspolitikern im Bundestag vorwerfen kölnnen.
Kopftuchverbot durch die Hintertür
Das am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Gesetz zum “Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten” war eigentlich auf den Weg gebracht worden, um Beamte und Beamtinnen mit rechtsextremen Tätowierungen einfacher aus dem Staatsdienst entlassen zu können. Etwas versteckt und verklausuliert findet sich im Gesetz aber auch eine Passage, die nur schwer in Einklang zu bringen ist mit der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit. Mit Blick auf das Tragen von Kopftuch und anderen religiösen Symbolen heißt es:
Das Recht, solche Erscheinungsmerkmale zu tragen kann eingeschränkt oder gänzlich untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen.
Vom „Kopftuchverbot durch die Hintertür“, spricht die religionspolitische Sprecherin der Linken Christine Buchholz. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Inhalt und möglichen Folgen des Gesetzes gibt es beim Mediendienst Integration.
Aufgepasst beim Gummibärchenkauf!
Dass es die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag mit Grundrechten immer dann nicht allzu genau nimmt, wenn Musliminnen und Muslime betroffen sind, bewies sie auch am vergangenen Dienstag und verabschiedete ein Papier namens “Die freiheitliche Gesellschaft bewahren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, den Politischen Islamismus bekämpfen”.
Der Inhalt ähnelt dem, was tagtäglich irgendwo von Rechtspopulisten zum Thema veröffentlicht wird: Erst wird ein Bedrohungsszenario aus IS, Terroranschlägen und Messermigranten konstruiert, anschließend der Bogen zur vermeintlichen “legalistischen” Zwillingsschwester des Terrors, den islamischen Organisationen in Deutschland, gespannt, um schlussendlich bei der Kriminalisierung alltäglichen muslimischen Religionslebens zu landen. Das klingt zum Beispiel so:
Der Politische Islamismus bewirbt eine Herrschaftsordnung, die einen fundamentalen Gegenentwurf zu Demokratie, Pluralismus und individuellen Freiheitsrechten darstellt. Seine Vertreter streben die Unterwerfung von Gesellschaft, Politik, Kultur und Recht unter Normen an, die ihren islamistischen Vorstellungen entsprechen. Diese Politisierung der Religion äußert sich in einer umfassenden Reglementierung der Lebensführung von Musliminnen und Muslimen anhand der Kategorien des Erlaubten (halal) und des Verbotenen (haram).
Also Liebe Muslime und Musliminnen, passt bitte auf, wenn ihr das nächste Mal Gummibärchen ohne Schweinegelatine kauft. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion könnte euch für Agenten des “politischen Islam” halten. (Funfact: Drei Tage später veröffentlichte dieselbe CDU/ CSU-Bundestagsfraktion eine Pressemitteilung, in der sie sich für die weltweite Stärkung der Religionsfreiheit aussprach. Gemeint waren diesmal aber Christen.)
Islamunterricht, der keiner ist
Wie unterschiedlich sich Religionsfreiheit für Christen und Muslim auslegen lässt, zeigte diese Woche auch die bayerische CSU-Staatsregierung, als sie den Start des “islamischen Unterrichts” verkündete. Mit bekenntnisorientierten Unterricht in Verantwortung der Religionsgemeinschaften, wie ihn das Grundgesetz vorsieht, hat das Fach nämlich nichts zu tun.
Anders als beispielsweise im Fall des katholischen oder evangelischen Religionsunterrichts liegt die Verantwortung für den “islamischen Unterricht” komplett in staatlicher Hand. Muslimische Vertreter – sind anders als in anderen Bundesländern – nicht einmal beratend tätig und dementsprechend wenig begeistert. Kritik gab es aber auch von der Evangelischen Kirche. Beim Bayerischen Rundfunk gibt es einen ausführlichen Text dazu. Wie es generell um den islamischen Religionsunterricht in Deutschland steht, habe ich hier aufgeschrieben.
Was aus dem “massenhaften Asylmissbrauch” wurde
Sorry, aber das Unionsbashing nimmt diese Woche kein Ende. Erinnert ihr euch noch an den “BAMF-Skandal?” 2018 schimpften Medien und Politiker wie Horst Seehofer über “massenhaften Asylmissbrauch”. Im Zentrum des vermeintlichen Skandals: die Leiterin, der Bremer Außenstelle des “Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge”. Diese hätte – so der Vorwurf – mindestens 1.200 Flüchtlingen zu Unrecht Asyl gewährt.
Zweifel an der Geschichte gab es schon von Beginn an, nun hat auch das Landgericht Bremen seine Ermittlungen eingestellt. Gareth Joswig hat für Übermedien den “BAMF-Skandal” zusammengefasst, der in Wahrheit ein Skandal aus Vorurteilen, Falschberichterstattung und Kampagenjournalismus war.
Kapitulieren hessische Schulen vor dem Politischen Islam?
Bleiben wir zum Abschluss bei alarmistischen Meldungen ohne jede Substanz. Auch hier spielt ein CDU-Minister eine Rolle, diesmal aber nur eine passive. Die WELT hat mal wieder die “Kapitulation vor dem politischen Islam“ ausgerufen. Gemeint sind diesmal hessische Schulen. Der Grund: eine vier Monate alte E-Mail.
Worin die Kapitulation diesmal bestand? Hessens Kultusministerium soll Schulen im Dezember vergangenen Jahres auf den recht offensichtlichen Umstand hingewiesen haben, dass das Zeigen von Mohammed-Karikaturen im Unterricht als islamkritisch wahrgenommen werden und emotionalisierend wirken könnte. Auch Gewalttaten seien im Einzelfall vorstellbar. Konkrete Hinweise auf Bedrohungen lagen auf Nachfrage nicht vor. Auch eine Empfehlung, die Karikaturen nicht zu zeigen, sprach das Ministerium nicht aus.
All dies erfuhren allerdings nur die wenigsten WELT-Leser. Die meisten hatten vorher schon kapituliert: nicht vor dem Islam, sondern vor der Bezahlschranke.
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